Das Osterwochenende und die darauffolgende Woche haben wir zum ersten Mal im Kinderhospiz St. Nikolaus in Bad Grönenbach verbracht.
Beim Wort Hospiz hat jeder so sein eigenes Bild vor Augen und auch wir sind mit sehr gemischten Gefühlen dorthin gefahren. Zum Einen, weil keiner wusste, was genau uns erwarten würde und zum Anderen hatten wir großen Respekt vor der möglichen Begegnung mit dem Thema Tod und der Tatsache, dass wir die Kinder zum allerersten mal „Fremden“ zur Pflege überlassen. Denn die Hospizarbeit ist viel mehr, als nur die bekannte Sterbebegleitung. Im Hospiz werden unter anderem auch Entlastungsaufenthalte für Familien mit kranken/behinderten Kindern angeboten, die eine lebensverkürzende Diagnose haben. Und genau deshalb waren wir in erster Linie auch dort. Der zweite Grund ist, dass Fabian inzwischen 17 Jahre alt ist und speziell das Hospiz in Bad Grönenbach eine Altersgrenze von 18 Jahren für den Erstaufenthalt vorsieht. Wir kannten das Hospiz bereits aus Erzählungen von Freunden und waren schon vor 2 Jahren zum Tag der offenen Tür dort. Die extrem freundliche und offene Art der Mitarbeiter und die Wärme, die uns damals schon entgegen gebracht wurde, war auch der Grund, warum wir uns speziell für das Hospiz im Allgäu entschieden haben. Schließlich kann dieser Ort mal eine sehr wesentliche Rolle für unsere Familie bedeuten. Wir hatten das große Glück, dass wir den ersten Aufenthalt mit unseren Freunden zusammen dort verbringen konnten.
Das Haus war bei unserem Aufenthalt nicht voll belegt. Insgesamt waren wir 5 Familien, die sich erfreulicherweise auf Anhieb alle sehr gut verstanden haben. Wahrscheinlich ticken viele Eltern mit behinderten Kindern irgendwie gleich. Keiner muss dem anderen etwas erklären, es gibt keine fragenden Blicke, ganz im Gegenteil, es war ein lockeres Miteinander und wir haben viel gelacht. Alle Familien waren zu einem Entlastungsaufenthalt da. Prinzipiell bleibt aber immer ein Platz im Haus frei, falls ein Kind in der finalen Phase kommt.
Das Hospiz in Bad Grönenbach hat ein spezielle Fahnenritual. Beim ersten Aufenthalt nähen in der Regel die Eltern für Ihr krankes Kind eine Fahne, die sehr individuell ist. Diese Fahne verkörpert im Prinzip das Kind und verbleibt immer im Hospiz. Die bunten, liebevoll gestalteten Fahnen hängen im gesamten Erdgeschoss dicht aufgereiht. Kommen Kinder zu einem Aufenthalt, dann hängen die Fahnen an einer speziellen Pinwand. Die Fahne wird bei jedem Aufenthalt mit einer Art Anhänger verziert, so dass man sehen kann, wer schon wie oft da war. Die Fahne steht aber aber auch für den Tod und die Vergänglichkeit. Wenn ein Kind verstirbt, wird die Fahne am Fahnen-Gong aufgehängt und eine Kerze zur Erinnerung angezündet. Die Eltern können Sie sich symbolisch von der Fahne verabschieden, diese wird dann im Erinnerungsgarten des Hospizes aufgehängt und verwittert dort. Ich finde das ein sehr wichtiges und auch schönes Ritual, auch wenn damit das Thema Endlichkeit sehr stark in den Focus rückt. Während unseres Aufenthaltes hat das Hospiz vom Tod eines kleinen Patienten erfahren und die Fahne am Fahnen-Gong aufgehängt – ich muss gestehen, dass hat mich in dieser Situation sehr nachdenklich und traurig gemacht.
Die Betreuung war einfach toll. Am ersten Tag haben wir sehr ausführlich alle kleinen Details über unsere Kinder erzählt. Da wird einem erstmal wieder bewusst, wie aufwändig der Alltag doch ist. Alles wurde super exakt notiert und daraus ein Betreuungsplan erstellt. Ab diesem Moment waren wir Eltern „frei“, einfach mal nicht mehr zuständig – ein komisches Gefühl. Anfangs beobachtet man die neue Situation noch mit etwas Sorge, aber bereits nach sehr kurzer Zeit war schon ein extrem großes Vertrauen da. Das gesamte Team war einfach spitzenmäßig – die Kids waren ausgesprochen gut drauf, soviel Abwechslung gab es für sie. Es wurde mit ihnen gespielt, gelacht, gemalt, gesnoozelt und gekuschelt, Musik gemacht und die Umgebung erkundet. Das Highlight für Jana und Fabian war natürlich das Schwimmbad, ob es Ihnen gefallen hat? Seht Euch die Fotos an.
So war es für uns Eltern sehr leicht loszulassen und einfach mal Dinge zu tun, die wir mit den Kindern sonst nicht machen. Wir haben viel mit den anderen Eltern gequatscht, sind mit der Seilbahn auf den Berg zur Krokusblüte gefahren, waren Bowling spielen und im Kino. Abends haben wir Stockbrot und Marshmallows gegrillt und saßen einfach am Feuer. Zwischendrin konnten wir trotzdem jederzeit mit Jana und Fabian etwas unternehmen oder saßen einfach mit den Betreuern zusammen und haben über unsere Erlebnisse gequatscht. Auch das hat der Seele unheimlich gut getan. Am Schönsten aber war, einfach mal wieder durchzuschlafen, eine Möglichkeit, die insbesondere Marion seit mehreren Jahren nicht mehr hatte und die inzwischen richtig an die Substanz geht. Die 10 Tage kamen uns sehr viel länger vor und wir haben viele schöne Erinnerungen mitgenommen, von denen wir hoffentlich lange zehren können.
Wir sagen ganz herzlich Dankeschön an alle lieben Mitarbeiter, Ihr habt uns unheimlich gut getan und wir hoffen von ganzem Herzen, dass wir nächstes Jahr wiederkommen können.